MarBiNa-Förderpreis 2023 für Dr. Maren Nattermann
Die Marburger Max-Planck-Wissenschaftlerin wird für ihre Arbeiten zur nachhaltigen Nutzung von CO2 ausgezeichnet
Maren Nattermann hat in ihrer Doktorarbeit einen künstlichen Stoffwechselweg entwickelt, der es ermöglicht, Ameisensäure als Ausgangspunkt für die biotechnologische Produktion von Wertstoffen zu nutzen. Für ihre Arbeit wurde sie am 12. März von Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies mit dem Förderpreis der Initiative Biotechnologie und Nanotechnologie e.V. (IBiNa) geehrt.
Formiat, auch Ameisensäure genannt, ist ein mögliches Zwischenprodukt der künstlichen Photosynthese. Dieser Stoffwechselweg aus dem Labor ist die Grundlage, um das Treibhausgas CO2 enzymatisch und umweltschonend in Wertstoffe umzuwandeln. Der Haken: Für die Weiterverarbeitung muss Ameisensäure unter hohem Energieaufwand in das reaktionsfreudige Formaldehyd umgewandelt werden. Formaldehyd ist wiederum ein zentraler Ausgangsstoff für die chemische und biotechnologische Industrie. Maren Nattermann hat in ihrer Doktorarbeit daran gearbeitet, diese Umwandlung sparsamer und damit die Ameisensäure nutzbar zu machen, indem sie nach neuen Biokatalysatoren (Enzymen) suchte und diese zu einem künstlichen Stoffwechselweg zusammenfügte. Dieser lässt aus Ameisensäure das hochreaktive Formaldehyd entstehen. Damit schuf sie eine Verbindung zwischen der künstlichen Photosynthese, also der CO2-Fixierung, und der biotechnologischen Weiterverarbeitung. Im Interview spricht Maren Nattermann über ihre Arbeit.
Dr. Nattermann, warum ist es sinnvoll, Ameisensäure biotechnologisch nutzbar zu machen?
Meine Forschung beschäftigt sich mit der Umwandlung von CO2 in für den Menschen nützliche Produkte wie Pharmazeutika oder Biodiesel. Allerdings machen wir dabei einen kleinen Umweg. CO2 ist für unsere Bakterien aus verschiedenen Gründen sehr schwer zu verarbeiten, unter anderem weil es ein Gas ist. Deshalb wandeln wir es zunächst in Ameisensäure (eine Flüssigkeit) um, die wir viel leichter als Nahrung zuführen können. Meine Arbeit bestand darin, Wege zu finden, wie Bakterien Ameisensäure verwerten können. Das war das fehlende Puzzleteil, als ich mit meiner Doktorarbeit anfing, und es ist sehr schön, dass ich es gefunden habe.
Welches Anwendungspotenzial sehen Sie?
Es ging darum, Möglichkeiten zu finden, wie wir aus einem industriellen Abfallprodukt wieder Wert schöpfen können. In der Wirtschaft spricht man von Kreislaufwirtschaft, bei uns dann von Kreislauf-Bioökonomie. Wir wollen CO2 als Rohstoff nutzen und damit wegkommen vom Verbrauch fossiler Ressourcen. Dazu müssen wir biologische Wege finden, um die einzelnen Schritte möglichst schnell und energieeffizient durchzuführen.
Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Es ist eine große Bestätigung meiner Arbeit und ich freue mich sehr über diese Anerkennung. Der Preis hilft auch, diese Forschung sichtbar zu machen, die eine spannende Mischung aus solider Grundlagenforschung und Anwendungspotenzial ist.
Wie verlief der Forschungsweg: geradeaus, oder eher mit Ecken und Kanten?
Forschungsprojekte verlaufen selten gerade. Eine Zeit lang ging es schleppend voran, bis ich die Experimente so weit hatte, dass sie funktionierten. Dann gab es Ergebnisse, die sich widersprachen und die wir uns nicht erklären konnten. Das war ein weiteres Rätsel, das ich lösen musste, und es hat mich viel Zeit und Energie gekostet. Aber am Ende hat es sich wirklich gelohnt: Es kamen sehr spannende Ergebnisse heraus.
Was hat Sie immer wieder motiviert?
Ich bin einfach gerne Biochemikerin. Es ist faszinierend, sich tief in biologische Systeme hineinzudenken, zu verstehen, wie sie funktionieren, und sie dann so umzubauen, dass sie für den Menschen nützlich sind. Besonders faszinierend ist es zu sehen, wie unglaublich flexibel die Natur ist, wie viele Prozesse sie durchführen kann, obwohl es in der „echten Welt“ keinen Nutzen dafür gibt. Ich ziehe meine Motivation aus jedem funktionierenden Experiment. Es ist immer wieder toll, nach ein paar Wochen Frust den Knoten zu lösen. Außerdem habe ich eine tolle Familie und einen Freund, der mich immer unterstützt. Ich bin sehr dankbar dafür, wie sie mich getragen haben.
Was hat die Zeit im Labor besonders geprägt?
Leider COVID-19. Ich hatte gerade mit meiner Doktorarbeit begonnen, als die Pandemie kam und ich wie viele andere ein gutes halbes Jahr nur extrem eingeschränkt arbeiten konnte. Ich kann nur sagen, dass es sehr schön war, die Kollegen dann im letzten Jahr wieder ohne Maske zu sehen.
Gibt es eine Vision, wie es mit den Ergebnissen weitergehen könnte?
Tatsächlich eine sehr klare, und wir sind auch schon dabei. Im ersten Schritt wollen wir das Wachstum über meine Stoffwechselwege erreichen und dann anfangen, einfachere Produkte wie Alkohol oder Bestandteile von Biodiesel herzustellen. Aber auch andere Arbeitsgruppen forschen bereits daran, wie sie meine Ergebnisse in ihre Forschung integrieren können, und das ist für mich natürlich sehr schön zu sehen.
Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Vorerst bleibe ich in Marburg, weil ich hier alte Projekte abschließen und neue aufbauen möchte. Wohin es danach geht, weiß ich noch nicht.
Die 2007 gegründete Initiative für Bio- und Nanotechnologie e.V. (IBiNa) fördert junge Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bio- und Nanotechnologie und zeichnet sie für ihre herausragenden Arbeiten aus. Mehr zum Preis unter https://initiative-biotechnologie.de/marbina/