Alles unter einem Hut
Eine interdisziplinäre Studie liefert ein einheitliches Modell für die Verteilung von Plasmiden bei der bakteriellen Zellteilung
Mit einer Kombination aus Biologie und Mathematik haben Forscher des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie ein einheitliches Prinzip der bakteriellen Weitergabe von genetischem Material im Zuge der Zellteilung aufgedeckt. Das Team um Dr. Seán Murray konnte zeigen, dass die Kräfte, die in verschiedenen bisherigen Modellen der Plasmid-Weitergabe wirken, im Grunde genommen auf die gleiche Art und Weise fungieren – ein Prinzip, das möglicherweise auch für chromosomale Systeme gilt.
Genkopien bei der Zellteilung zuverlässig auf die beiden Tochterzellen zu verteilen, ist ein entscheidender Prozess des Lebens. Doch weiß man leider nur wenig über seine Mechanismen, vor allem bei Bakterien, die immerhin den Großteil der Organismen auf der Erde ausmachen. Neben Chromosomen besitzen Bakterien weitere genetische Elemente: kleine, ringförmige, selbstreplizierende Plasmide, die ihnen zusätzliche Fähigkeiten verleihen. Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer einfachen Herstellung sind Plasmide ein wichtiges Instrument in der Grundlagenforschung wie auch in biotechnologischen Anwendungen. Gleichzeitig stellen sie aus der Sicht des Menschen ein Problem für die öffentliche Gesundheit dar, da manche von ihnen für Virulenzfaktoren oder Antibiotikaresistenzen verantwortlich sind.
Für Plasmide und Chromosomen mit geringer Kopienzahl ist die zufällige Verteilung bei der Zellteilung nicht zuverlässig genug: es braucht einen aktiven Mechanismus damit beide Tochterzellen mindestens ein Plasmid erben. Dies wird in den meisten Fällen durch ein Drei-Komponenten-System, Par genannt, vermittelt. Das häufigste von ihnen, ParABS, besteht aus zwei Proteinen und einer DNA-Bindesequenz. Es ist jedoch nach wie vor unbekannt, wie dadurch eine stabile und präzise Vererbung gewährleistet wird. Insbesondere blieb bisher unklar, ob die Plasmide zu bestimmten Zielpositionen gelenkt werden oder ob oszillierende Bewegungen ausführen.
Nun konnte das Max-Planck-Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Seán Murray die tatsächliche Natur des ParABS-systems aufdecken. In einem interdisziplinären Ansatz verfolgten die Forscher die Dynamik vieler tausend Zellzyklen in lebenden Zellen und kombinierten ihre Daten mit einem mathematischen Modell.
Dabei analysierten sie zwei verschiedenen, entfernt verwandten Systemen aus dem menschlichen Darmbakterium Escherichia coli: Das F-Plasmid, der Hauptträger von Antibiotikaresistenzgenen, sowie pB171, das Virulenzplasmid eines pathogenen Stammes.
Verblüffenderweise zeigen ihre Ergebnisse, dass beide Systeme auf einer fundamentalen Ebene gleich agieren.
"Unser Modell offenbart, dass es eine dominante Art der Plasmidvererbung gibt: die gerichtete Positionierung, bei der die Plasmide aktiv an bestimmte subzelluläre Positionen gebracht werden", sagt der Erstautor der Studie, Robin Köhler. Dem Modell zufolge positioniert das ParABS-System die Plasmide in regelmäßigen Abständen quer über die Zelle und arbeitet dabei knapp unterhalb der Schwelle einer oszillatorischen Instabilität. Er fügt hinzu: "Unsere Simulationen zeigen, dass dies den Energieverbrauch des Systems auf ein Minimum reduziert."
Ermöglicht wurde diese Studie durch die fachübergreifende Kombination von Hochdurchsatz-Experimenten und mathematischer Modellierung. Nach Ansicht von Forschungsgruppenleiter Seán Murray können mathematische Modelle, die auf einer soliden experimentellen Grundlage aufbauen, sehr erfolgreich sein, wenn es darum geht, das zugrundeliegende Prinzip eines biologischen Mechanismus zu finden: „Unser Modell vereinigt bisher widersprüchliche Modelle und es liefert eine robuste mechanistische Grundlage für selbstorganisierte Verteilung von Plasmiden bei der Zellteilung. Es kann darüber hinaus möglicheriweise auf andere Par-System übertragen werden. Insbesondere chromosomale ParABS-Systeme, welche uns noch immer vor viele Fragen stellen, könnten von unserer Arbeit stark profitieren.“