Mikrobielle Jongleure
Forschende fanden heraus, wie ein Bodenmikroorganismus die künstliche Photosynthese ankurbeln könnte
Forscher konnten zeigen, wie ein bakterielles Enzym mittels molekularem Klebstoff und der passenden Drehbewegung CO2 - Moleküle zwanzigmal schneller in Kohlenstoffverbindungen umwandelt als pflanzliche Enzyme bei der Photosynthese. Die Ergebnisse könnten den Fortschritt bei der Umwandlung von Kohlendioxid in eine Vielzahl von Produkten beschleunigen.
Pflanzen sind für ihre Existenz auf die Fixierung von Kohlenstoff angewiesen - die Umwandlung von Kohlendioxid aus der Luft in kohlenstoffreiche Biomoleküle. Das ist der Kern der Photosynthese und damit der Grundstein des riesigen, komplexen Systems, das den Kohlenstoffkreislauf durch Pflanzen, Tiere, Mikroben und die Atmosphäre aufrechterhält und damit auch das Leben auf der Erde.
Doch die wahren Meister der CO2-Fixierung sind nicht die Pflanzen, sondern Bodenbakterien. Einige bakterielle Enzyme führen einen Schlüsselschritt dieses Prozesses 20-mal schneller aus als pflanzliche Enzyme.
Jetzt hat ein internationales Forscherteam, darunter Forschende des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie, herausgefunden, auf welche Weise ein bakterielles Enzym dieses Kunststück vollbringt. Anstatt CO2-Moleküle zu ergreifen und sie einzeln an Biomoleküle zu binden, besteht dieses Enzym aus Molekülpaaren, die synchron arbeiten - wie die Hände eines Jongleurs, der gleichzeitig Bälle wirft und fängt, um die Arbeit schneller zu erledigen. Ein Element jedes Enzympaars öffnet sich weit und fängt einen Satz Reaktionsbestandteile ein, während sich das andere über den eingefangenen Bestandteilen schließt und die kohlenstoffbindende Reaktion durchführt; dann tauschen sie die Rollen in einem kontinuierlichen Zyklus.
Mikrobielles Jonglieren
Das Team entdeckte, dass ein einziger molekularer "Klebstoff" jedes Enzympaar zusammenhält, so dass sie sich koordiniert abwechselnd öffnen und schließen können, während eine Drehbewegung dazu beiträgt, Zutaten und Endprodukte in und aus den Taschen zu befördern, in denen die Reaktionen stattfinden. Wenn sowohl Kleber als auch Drehung vorhanden sind, läuft die kohlenstoffbindende Reaktion 100-mal schneller ab als ohne sie. Zu verstehen, wie das geschieht, kann Wissenschaftlern helfen, eine künstliche Photosynthese zu entwickeln, um das Treibhausgas in Kraftstoffe, Düngemittel, Antibiotika und andere Produkte umzuwandeln.
„Dieses bakterielle Enzym ist der effizienteste Kohlenstofffixierer, den wir kennen, und wir haben eine elegante Erklärung dafür gefunden, was es leisten kann", sagt Soichi Wakatsuki, Professor am SLAC National Accelerator Laboratory und der Universität Stanford, einer der Leiter der Studie. „Jetzt, da wir den Mechanismus kennen, können wir Enzyme entwickeln, die mit allen möglichen Ausgangsmaterialien sehr schnell arbeiten."
Die Natur verbessern
Das vom Forscherteam untersuchte Enzym gehört zu einer Familie, die Enoyl-CoA-Carboxylasen/Reduktasen oder ECRs genannt wird. Es stammt aus dem Bodenbakterium Kitasatospora setae, das nicht nur Kohlenstoff bindet, sondern auch Antibiotika produzieren kann.
Soichi Wakatsuki erfuhr von dieser Enzymfamilie vor etwa sechs Jahren durch Tobias Erb vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und Yasuo Yoshikuni vom Joint Genome Institute (JGI) Tobias Erbs Forschungsteam arbeitet an der Entwicklung von Bioreaktoren für die künstliche Photosynthese, um CO2 aus der Atmosphäre in alle möglichen Produkte umzuwandeln.
„So wichtig die Photosynthese für das Leben auf der Erde auch ist", erklärt Tobias Erb, „sie ist nicht sehr effizient. Wie alle Dinge, die im Laufe der Äonen von der Evolution geformt wurden, ist sie nur so gut, wie sie sein muss - das Ergebnis einer langsamen Entwicklung, die auf früheren Entwicklungen aufbaut, aber niemals etwas völlig Neues von Grund auf erfindet."
Der Schritt in der natürlichen Photosynthese, bei dem CO2 aus der Luft gebunden wird, hängt von einem Enzym namens Rubisco ab, das wie ein Flaschenhals die gesamte Kette der photosynthetischen Reaktionen verzögert. Die Verwendung von schnellen ECR-Enzymen könnte die Effizienz erheblich steigern. „Wir versuchen nicht, eine Kopie der Photosynthese zu erstellen", sagt Tobias Erb. „Wir wollen einen Prozess entwerfen, der viel effizienter ist, indem wir unser technisches Verständnis nutzen, um die Konzepte der Natur nachzubilden. Diese 'Photosynthese 2.0' kann in lebenden oder synthetischen Systemen stattfinden, zum Beispiel in künstlichen Chloroplasten - Wassertröpfchen, die in Öl suspendiert sind."
Porträts eines Enzyms
Während die Kooperationspartner von SLAC, Stanford University und dem JGI die molekulare Struktur des Enzyms mit Hilfe der Röntgenkristallographie und des Freie-Elektronen-Röntgenlasers aufdeckten, führte die Gruppe von Tobias Erb in Deutschland zusammen mit der Gruppe von Esteban Vöhringer-Martinez von der Universität Concepción in Chile detaillierte biochemische Untersuchungen und umfangreiche dynamische Simulationen durch, um die Strukturdaten zu verstehen.
Die Simulationen zeigten, wie das Öffnen und Schließen der beiden Teile des Enzyms gemeinsam mit Drehbewegungen um die zentrale Achse jedes Enzympaares die hohe Effizienz ermöglicht. „Diese Drehung ist wie eine molekulare Ratsche, die ein fertiges Produkt herausdrücken oder einen neuen Satz von Ausgangsstoffen in die Tasche ziehen kann, in der die Reaktion stattfindet", sagte Soichi Wakatskuki.
Von der statischen Aufnahme zum flüssigen Film
Bisher haben die Experimente nur statische Momentaufnahmen des Enzyms, der Reaktionsbestandteile und der Endprodukte in verschiedenen Konfigurationen ergeben. „Unser Traum-Experiment", so Soichi Wakatsuki, „wäre es, alle Bestandteile zu kombinieren, während sie in den Strahlengang des Röntgenlasers fließen, damit wir die Reaktion in Echtzeit beobachten können."
Das Team hat das tatsächlich versucht, aber es hat bislang nicht funktioniert. „Die CO2-Moleküle sind sehr klein und bewegen sich so schnell, dass es schwierig ist, den Moment zu erwischen, in dem sie sich an das Substrat binden", sagte er. „Außerdem ist der Röntgenlaserstrahl so stark, dass wir die Bestandteile nicht lange genug darin halten konnten, damit die Reaktion stattfinden konnte. Wenn wir Druck ausübten, um dies zu erreichen, zerbrachen wir die Kristalle."
Ein bevorstehendes Hochenergie-Upgrade für SLACs Röntgenlaserqelle wird dieses Problem wahrscheinlich lösen, fügt Soichi Wakatsuki hinzu, mit Impulsen, die viel häufiger ankommen - eine Million Mal pro Sekunde - und die individuell auf die ideale Stärke für jede Probe eingestellt werden können. Die Forschungskooperation möchte weiter gemeinsam daran arbeiten, diesen Ansatz zu verwirklichen.
( Quelle: Pressemitteilung SLAC National Accelerator Laboratory, mit freundlicher Genehmigung von Glennda Chui, SLAC Office of Communications)