Mikrobielle Hydrogenasen und der globale Wasserstoffkreislauf
Forschungsbericht (importiert) 2014 - Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie
Einleitung
Der globale Kreislauf von Wasserstoff (H2) hat in der Vergangenheit wiederholt Interesse geweckt. So machte man sich Gedanken darüber, ob die zukünftige Verwendung von H2 als Treibstoff zu einem Anstieg der H2-Konzentration in der Atmosphäre führen könnte. Modellrechnungen zeigten aber, dass die erwartete Konzentrationszunahme wahrscheinlich zu gering ist, um etwa das Klima beeinflussen zu können. Dennoch ist der Wasserstoffkreislauf von grundsätzlichem Interesse, da H2 nach Methan das zweithäufigste oxidierbare Spurengas in der Atmosphäre ist. Außerdem ist bemerkenswert, dass atmosphärischer Wasserstoff überwiegend im Boden abgebaut wird [1].
Molekularer Wasserstoff (H2) ist in Gegenwart von Sauerstoff (O2) ein hochexplosives Gas, das in der sogenannten Knallgasreaktion zu Wasser (H2O) umgesetzt wird. In der Erdatmosphäre ist es jedoch nur als Spurengas vorhanden und damit weit unterhalb der Explosionsgrenze. Die mittlere Konzentration beträgt nur 0,5 millionstel Volumenanteile. Zudem sind die geringen Mengen H2 in der Atmosphäre vergleichsweise reaktionsträge, wenn man sie mit anderen Spurengasen wie Kohlenmonoxid oder Methan vergleicht. Die fotochemische Oxidation von H2 in der Atmosphäre ist deshalb von geringer Bedeutung. Stattdessen ist die Oxidation von H2 durch Bodenmikroorganismen der wichtigste Abbauprozess im Haushalt des atmosphärischen H2 (> 80 Prozent), der insgesamt etwa einen Gesamtumsatz von rund 75 bis 100 Millionen Tonnen pro Jahr ausmacht [1].
Die Aufnahme von H2 aus der Atmosphäre in den Boden wurde bereits in den 1970er-Jahren beobachtet und vor allem am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz intensiv untersucht [2]. Aufgrund der Temperaturabhängigkeit und der Sensitivität gegenüber Sterilisationsmaßnahmen, zum Beispiel durch Autoklavieren, war klar, dass es sich bei dem Abbauprozess um eine biologische Aktivität handeln musste. Es dauerte jedoch weitere 40 Jahre, bis schließlich der Abbauprozess aufgeklärt werden konnte. Heute wissen wir, dass für den Abbau des atmosphärischen Wasserstoffs Nickel-Eisen-Hydrogenasen der Gruppe 5 verantwortlich sind, die fast ausschließlich in den in Böden weit verbreiteten Actinobakterien, beispielsweise Streptomyces oder Mycobacterium, vorkommen.
Knallgasbakterien kommen in Böden vor, können aber atmosphärischen Wasserstoff nicht oxidieren
Anfangs wurde vermutet, dass für den H2-Abbau die sogenannten Knallgasbakterien verantwortlich sind [3]. Dies sind chemolithoautotrophe Mikroorganismen, die ihre Lebensenergie aus der Knallgasreaktion schöpfen. Jedoch musste diese Vermutung verworfen werden, als sich herausstellte, dass die verfügbaren Kulturen von Knallgasbakterien zwar hohe Konzentrationen − im Prozentbereich − von H2 durchaus oxidieren können, nicht jedoch die sehr geringen Konzentration in der Atmosphäre. Das atmosphärische H2 wurde aber nachweislich in Böden ohne Weiteres oxidiert, es blieb also die Frage, durch wen [4]. Die unbekannte biologische Aktivität in den Böden hatte kinetische Charakteristika, die völlig verschieden von denen der Knallgasbakterien waren; erstere hatte eine viel höhere Affinität und niedrigere Schwellenkonzentration für H2 als letztere. Der Unterschied zwischen Boden und Knallgasbakterien bedeutete, dass für die Aktivität im Boden entweder ein noch vollkommen unbekannter biochemischer Prozess oder aber einfach noch unbekannte, nicht isolierte, H2-oxidierende Mikroorganismen verantwortlich waren. Ein wichtiger Befund hierbei war, dass Böden beide kinetischen Charakteristika aufweisen, sowohl die von klassischen Knallgasbakterien als auch die der unbekannten Aktivität [5].
Die Suche nach alternativen H2-Oxidationsprozessen oder nach unbekannten Mikroben war lange Zeit erfolglos
Zunächst wurde vermutet, dass der unbekannte Prozess eine enzymatische Reaktion sein könnte, die durch Hydrogenasen im Boden außerhalb von lebenden Zellen katalysiert wird [6]. Solche Hydrogenasen würden unter den Oberbegriff „abiotische Bodenenzyme“ fallen. Abiotische Bodenenzyme sind Enzyme, die nach dem Absterben von Mikroorganismen in die Bodenmatrix freigesetzt werden und teilweise durch Bindung an Ton-Humus-Komplexe ihre kinetischen Eigenschaften ändern. Auf diese Weise könnten nämlich abiotische Bodenhydrogenasen eine hohe Affinität und einen niedrigen Schwellenwert für H2 erlangen und so in die Lage versetzt werden, atmosphärisches H2 oxidieren zu können. Tatsächlich gelang die Extraktion von Hydrogenasen aus dem Boden, und diese Hydrogenasen zeigten auch die gewünschten kinetischen Eigenschaften. Die Effizienz der Extraktion war jedoch sehr niedrig, außerdem wurden auch Hydrogenasen mit denjenigen Eigenschaften, wie sie für klassische Knallgasbakterien typisch sind, mit extrahiert [7]. Es konnte also nicht ausgeschlossen werden, dass statt der gewünschten abiotischen Bodenhydrogenasen normale mikrobielle Hydrogenasen extrahiert worden waren, die, experimentell bedingt, die gesuchten Eigenschaften vortäuschten und so unbekannte Mikroben im Verborgenen hielten. Tatsächlich sind unbekannte, noch nicht kultivierte Mikroorganismen mit solchen Eigenschaften durchaus denkbar. Generell sind Mikroorganismen nicht so leicht zu kultivieren. So konnten bisher nicht einmal ein Prozent aller vorhandenen Mikroorganismen isoliert und charakterisiert werden, so auch − für lange Zeit − die gesuchten H2-oxidierenden Mikroorganismen.
Außerhalb der schwierigen Isolationsversuche kann man auch versuchen, neuartige Mikroorganismen mithilfe molekularbiologischer Methoden zu detektieren. Diese Vorgehensweise hat in der Mikrobiologie oft zum Erfolg geführt, so etwa bei der Entdeckung neuer Mikroorganismen, die das atmosphärische Spurengas Methan bilden oder abbauen. Bei diesen Mikroorganismen führte die Suche nach neuen, phylogenetisch kohärenten Sequenzgruppen zum Ziel. Am Ende konnte man mithilfe aller Sequenzinformationen das gesamte Genom dieser damals noch nicht kultivierten Mikroben entschlüsseln und deren Physiologie ermitteln.
Bedauerlicherweise war diese Vorgehensweise bei den unbekannten H2-oxidierenden Bakterien problematisch. Dies lag zum einen daran, dass diese Organismen prinzipiell in vielen phylogenetischen Gruppen zu finden sind. Eine große Zahl verschiedener Mikroorganismen besitzt nämlich Hydrogenasen. Zum anderen gibt es viele verschiedene Typen von Hydrogenasen [8]. Seitens der Physiologie gibt es solche, die H2 oxidieren, andere, die H2 bilden, und eine dritte Gruppe, die als H2-Sensor dienen. Weiterhin unterscheidet man Nickel-Eisen-Hydrogenasen, Eisen-Hydrogenasen und Hydrogenasen ohne Eisen-Schwefel-Cluster.
Die Gruppe der Nickel-Eisen-Hydrogenasen war der wahrscheinlichste Kandidat für die gesuchte H2-Oxidation. Aber auch innerhalb dieser Gruppe musste man wiederum fünf verschiedene Sequenzgruppen unterscheiden. Hinzu kommt, dass das Operon, das für die Synthese der Hydrogenasen verantwortlich ist, sich äußerst komplex gestaltet und nicht nur die Strukturgene, sondern außerdem noch zahlreiche regulatorische Gene enthält, deren Phänotyp nicht in jedem Fall bekannt ist. Aufgrund dieser Komplexität war es nicht verwunderlich, dass alle Experimente, um die gesuchten neuartigen Gensequenzen im Boden zu finden, erfolglos waren. Auch mithilfe molekulargenetischer Methoden konnten wiederum nur diejenigen Hydrogenasegene gefunden werden, die bereits aus den bekannten Knallgasbakterien bekannt sind.
Der Durchbruch gelang mit der Isolierung eines Actinobakteriums
Ein Durchbruch wurde erzielt, als es gelang, einen Vertreter der Gattung Streptomyces zu isolieren, der die gesuchten kinetischen Eigenschaften für die Oxidation von H2 besaß [9]. Im Folgenden gelang es dann zu zeigen, dass diese Eigenschaften auch bei anderen, wenn auch keinesfalls bei allen Streptomyceten vorhanden sind und dass alle diese Isolate eine Nickel-Eisen-Hydrogenase der Gruppe 5 besitzen (Abb. 1).
Gensequenzen von Hydrogenasen der Gruppe 5 waren bereits zuvor in einigen Bakterien, vor allem Actinobacterien, nachgewiesen worden. Die Rolle dieser Hydrogenasen im bakteriellen Stoffwechsel war jedoch unbekannt. Dass diese Hydrogenasen für die Oxidation von atmosphärischem H2 dienen und die hierfür typischen kinetischen Eigenschaften besitzen, konnte durch Mutantenanalyse des im Boden lebenden Actinobacteriums Mycobacterium smegmatis gezeigt werden [10]. Dieses Bakterium besitzt Nickel-Eisen-Hydrogenasen aus drei verschiedenen Gruppen (Gruppe 2a, 3 und 5). Nur wenn die Hydrogenase der Gruppe 5 nicht defekt war, konnte dieses Bakterium die niedrigen H2-Konzentrationen der Atmosphäre oxidieren. Es wird derzeit vermutet, dass die Oxidation von atmosphärischem H2 als eine geringe aber verlässliche Energiequelle dient und den Actinobakterien das Überleben im Boden erleichtert. Gensequenzen von Hydrogenasen der Gruppe 5 konnten bisher in allen getesteten Böden nachgewiesen werden.
Damit wissen wir nun, dass Actinobakterien mit aktiven Gruppe 5-Hydrogenasen für den Globalkreislauf des atmosphärischen Wasserstoffs verantwortlich sind. Warum das so ist, ist jedoch immer noch unklar. Allerdings besteht nun dank der Verfügbarkeit von Bakterienkulturen die Möglichkeit, die Struktur und die Synthese der Gruppe 5-Hydrogenasen zu untersuchen und damit Kenntnisse zu gewinnen, die uns helfen zu verstehen, welche ökologische Rolle die Oxidation von atmosphärischem Wasserstoff für die Bodenbakterien spielt.